Durchführung der fachdidaktischen Ausbildung
Im Bereich Gesellschaftswissenschaften wird die Ausbildung in den Fachdidaktiken
durchgeführt. Dazu finden in der Regel vierzehntäglich sechsstündige Fachdidaktikveranstaltungen statt. In diesen Seminaren wird - aufbauend auf allgemein-didaktischen Grundlagen - der Bezug zur jeweiligen Fachwissenschaft und zum konkreten Unterrichtsfach an einer beruflichen Schule hergestellt. Dabei stehen folgende Aspekte im Vordergrund:
- Zielbestimmung, Inhaltsauswahl, Organisation und Vollzug des unterrichtlichen Lehrens und Lernens in den jeweiligen Fächern und Schularten.
- Analyse von Lehr- und Lernvorgängen in unterschiedlichen Schularten des beruflichen Schulwesens.
- Analyse und Reflexion der gesellschaftlichen Voraussetzungen, der historischen Bedingungen und der aktuellen Veränderungen des Fachs betrachtet im Gesamtzusammenhang von beruflichen Schulen.
- Analyse und Reflexion des Faches und der Methoden des Lehrens und Lernens.
- Bestimmung des Verhältnisses von Schulfach oder Lernbereich zu möglichen korrespondierenden Fachwissenschaften.
Fachdidaktik beschäftigt sich mit Unterrichtshospitation, der Unterrichtsvorbereitung sowie Durchführung und Reflexion des Unterrichts. Folgende Stichworte zeigen eine kleine Themenauswahl:
- Anthropogene und soziokulturelle Voraussetzungen des Unterrichts
- Didaktische Analyse (Strukturanalyse, Stoffauswahl und Stoffanordnung, Lernziele)
- Unterrichtsmethoden
- Unterrichtsmedien
- Aktuelle Diskussionen z. B. kompetenzorientierte Didaktik, handlungsorientierter Unterricht
Die fachdidaktischen Veranstaltungen finden überwiegend an den beruflichen Schulen statt. Im Rahmen der Seminare werden durch die Fachleiterin/ den Fachleiter Lehrvorführungen sowie die Referendarinnen und den Referendaren Lehrübungen gehalten, die als Grundlage zur Erschließung der theoretischen Hintergründe dienen. Neben diesen Lehrübungen ist der Unterrichtsbesuch ein weiteres Element der Ausbildung. Die Referendarin/der Referendar lädt die Fachleiterin/ den Fachleiter im ersten Ausbildungsabschnitt zu zwei Unterrichtsbesuchen ein. Dabei steht die Beratung des Referendars zur Vorbereitung, Gestaltung und zur Reflexion des Unterrichts im Vordergrund. Im zweiten Ausbildungsabschnitt erfolgt ein weiterer beratender Unterrichtsbesuch.
Allgemeine fachdidaktische Standards
1. Kompetenzorientierte Lehrerbildung
Professionelle Lehrerinnen und Lehrer müssen bestimmten beruflichen Anforderungen gerecht werden. Das erfordert berufsbezogene Kompetenzen, die in den beiden ersten Phasen der Lehrerbildung sukzessive aufgebaut werden. Die fachdidaktische Lehrerbildung bedarf einer Kompetenzorientierung im doppelten Sinne: Die Lehrkräfte sollen Kompetenzen entwickeln, die sie wiederum benötigen, um den Kompetenzerwerb ihrer Schülerinnen und Schüler zu fördern. Die Zusammenhänge von Anforderungen, Kompetenzen und Ausbildung werden hier mit Blick auf die Fachdidaktik im Vorbereitungsdienst für das höhere Lehramt an beruflichen Schulen beschrieben. Sie werden für die einzelnen Fachdidaktiken konkretisiert, um deren jeweiliger Spezifik gerecht zu werden.
Zum Selbstverständnis der Fachdidaktiken
Im Gegensatz zu den Bildungswissenschaften (allgemeine Didaktik, pädagogische Psychologie), die keinen Fachbezug haben, stellen die Fachdidaktiken eine eigenständige Disziplin mit einer fach- bzw. domänenspezifischen Ausrichtung dar, in der eine fundierte fachwissenschaftliche Expertise eine wichtige Rolle spielt. Ausgangs- und Zielpunkt der Fachdidaktiken sind die Unterrichtsfächer bzw. Lernfelder als Handlungsrahmen. Just an dieser Stelle entscheiden sich die Qualität von Unterricht und der Aufbau von Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern. Neben eigenen Konzepten beziehen die Fachdidaktiken auch andernorts erzeugte Wissensbestände bewusst mit ein. Sie nehmen „eine vermittelnde Funktion zwischen Schule, Fachwissenschaften und Bildungswissenschaften wahr“.
Allgemeine Anforderungen an Lehrkräfte
Manche der Aufgaben, die Lehrkräfte in ihrem beruflichen Alltag bewältigen müssen, erfordern vor allem konzeptionelles Denken, z. B. die Planung, Auswahl, Reflexion und Weiterentwicklung von Lehr-/Lernar-rangements, andere verlangen in erster Linie situativ angemessenes praktisches Handeln, z. B. die sponta-ne Interaktion mit Schülerinnen und Schülern, um deren Lernprozesse positiv zu beeinflussen. Reale Anforderungssituationen in der schulischen Praxis beziehen sich oft gleichzeitig auf beide Dimensionen des Lehrerhandelns, die konzeptionell-theoretische und die situativ-handlungspraktische. Für die Fachdidaktiken sind vor allem jene beruflichen Aufgaben von Interesse, die sich unmittelbar auf die Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern beziehen, auch wenn es für Lehrkräfte noch viele andere Aufgaben und Herausforderungen gibt, wie beispielsweise die Beteiligung an Schulentwicklungsprozessen, Teambildung im Kollegium, Kontakt mit Eltern und Ausbildungsbetrieben, lebenslange Weiterbildung in fachlicher, fachdidaktischer und pädagogischer Hinsicht.
Hilfreiche Überzeugungen und Einstellungen – das „Mindset“ der Lehrkräfte
Bestimmte Haltungen und Einstellung der Lehrkraft sind förderlich für ein erfolgreiches Handeln im Beruf. Dazu gehören pädagogische Grundüberzeugungen, die sich auf das Lernen, den Umgang mit Schülerinnen und Schülern und die eigene Rolle und Aufgabe beziehen. Es ist beispielsweise wünschenswert, dass die Lehrkraft von der Bedeutsamkeit des eigenen Unterrichts überzeugt ist und den Wunsch hat, die Schülerinnen und Schüler für dessen Inhalte zu begeistern. Genauso wichtig sind motivationale Aspekte, zu denen eigene Ziele, Interessen und Überzeugungen von der Selbstwirksamkeit gehören, sowie die Fähigkeit zur Selbstregulation, die sich etwa im Umgang mit den eigenen Ressourcen, der Teamfähigkeit und der Selbstreflexion zeigt. Es ist ein Qualitätsmerkmal professioneller Lehrkräfte, dass auch ihre Haltungen und Überzeugungen kein unreflektierter Ausdruck subjektiver Theorien, sondern ein Ergebnis der fortdauernden Auseinandersetzung mit einschlägigen Konzepten aus den Bildungswissenschaften und den Fachdidaktiken sind. Auch Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen (z. B.im Bereich der Medien) ist eine wünschenswerte Haltung der Lehrkräfte, was freilich nicht bedeutet, dass Neuerungen unkritisch aufgenommen werden sollten. Die professionelle Haltung der Lehrkräfte zeigt sich auch darin, dass sie die technische Handhabung der Medien beherrschen.
Unterrichtsbezogene Kompetenzen
Zur Bewältigung ihrer Aufgaben benötigen die
Lehrkräfte „professionelle Kompetenz“, die im Laufe
der Zeit aufgebaut wird. Sie sind Experten für das Lehren und
Lernen und greifen dabei auf fachwissenschaftliche, fachdidaktische
und allgemein pädagogisch-didaktische Wissensbestände und
Kompetenzen zurück, die sie im Vorbereitungsdienst oder auch
früher, insbesondere in der ersten Phase ihrer Ausbildung
erworben haben. Dazu kommen kommunikative und soziale
Fähigkeiten, die den Lehrkräften dabei helfen, die
Interaktion mit den Schülerinnen und Schülern
zielgerichtet zu gestalten. Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst
stehen nicht mehr am Anfang, aber eben auch noch nicht am Ende
ihrer Entwicklung.
Im Zentrum der Anforderungen stehen solche Kompetenzen, die im
Zusammenhang mit Unterricht und dem Unterrichten benötigt
werden, wobei sich „Unterricht“ nicht in erster Linie auf
eine Einzelstunde bezieht, sondern stets die mittel- und
langfristige Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und
Schüler und deren individuelle Förderung im Blick hat, z.
B. durch differenzierende adaptive Lernarrangements, ggf. auch an
Lernorten außerhalb der Unterrichtsräume. In diesem
Zusammenhang spielt fachdidaktisches Wissen und Können eine
Schlüsselrolle bei der Professionalisierung angehender
Lehrkräfte. Eine Grundvoraussetzung für fundierte
fachdidaktische Entscheidungen und für erfolgreiches Handeln
ist ein tiefgreifendes Verständnis für das jeweilige
Fach. Wenn das fachbezogene Wissen und Können der
Lehrkräfte vorübergehend Lücken in
überschaubarem Umfang aufweist, so müssen diese
Lehrkräfte selbstständig Strategien entwickeln, mit deren
Hilfe sie diese Lücken schließen und ihre Aufgaben
bewältigen können. Auf Dauer kann fehlende
„Fachlichkeit“ nicht durch Stärken in anderen
Bereichen kompensiert werden.
Die umfassende professionelle Kompetenz von Lehrkräften lässt sich unter dem Blickwinkel der Fachdidaktik in die folgenden Teilkompetenzen untergliedern:
• Unterricht planen und reflektieren (vorwiegend theoretisch-konzeptionell)
• Unterricht gestalten und steuern (vorwiegend situativ-handlungspraktisch)
• Leistungen feststellen (sowohl theoretisch-konzeptionell als auch situativ-handlungspraktisch)
• Erziehen (vorwiegend situativ-handlungspraktisch).
2. Kompetenzbereiche
2.1 UNTERRICHT PLANEN UND REFLEKTIEREN
- Die Lehrkraft berücksichtigt bei der konzeptionell-theoretischen Planung und Reflexion ihres Unterrichts alle relevanten Faktoren, vor allem
- Vorgaben durch Bildungspläne und Bildungsstandards,
- Lernvoraussetzungen und Motivationslage der Schülerinnen und Schüler,
- fachliche Gegebenheiten sowie gegebenenfalls Anforderungen des Lernfeldes,
- fachdidaktische Prinzipien des jeweiligen Faches.
Daraus leitet die Lehrkraft konkrete Entscheidungen ab, die die mittel- und langfristige Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler begünstigen. Hierbei
- wählt sie bedeutsame Inhalte lehrplankonform aus und setzt geeignete Schwerpunkte,
- berücksichtigt sie wichtige Prinzipien, wie beispielsweise exemplarisches Lernen, Lebensweltbezug und Berufsbezug,
- führt sie die erforderliche didaktische Reduktion durch,
- nutzt sie Problemsituationen für die kognitive Aktivierung und Motivation der Schülerinnen und Schüler,
- setzt sie ein breites Repertoire geeigneter Unterrichtsformen, Methoden und Medien zielgerichtet ein,
- berücksichtigt sie die fachlich-inhaltliche, die methodische, die medienbezogene sowie die metakognitive Entwicklung der Schülerinnen und Schüler,
- nutzt sie Möglichkeiten der individuellen Förderung und der binnendifferenzierenden Unterrichtsgestaltung.
Die Lehrkraft reflektiert und analysiert eigenen und fremden Unterricht und nutzt dabei geeignete Beobachtungsinstrumente, insbesondere das Basismodell für die Unterrichtsbeobachtung (zum download unter: http://www.schule-bw.de/schularten/berufliche_schulen/oes/download/download.htm ). Die Ergebnisse der Reflexion fließen wiederum in die zukünftige Unterrichtsplanung ein, woraus sich ein kontinuierlicher Optimierungsprozess ergibt.
2.2 UNTERRICHT GESTALTEN UND STEUERN
Die Lehrkraft fördert durch situativ-praktisches Handeln die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler. Sie erkennt aufgrund ihrer fachdidaktischen Expertise, welches Verhalten in der jeweiligen Situation angemessen ist, und handelt entsprechend. Die Lehrkraft führt die Lerngruppe und fördert die Fortschritte der Schülerinnen und Schüler. Dabei
- setzt sie die Unterrichtsplanung um und modifiziert diese, wenn die Situation dies erfordert,
- setzt sie Aufgaben, Materialien und Medien zielgerichtet ein,
- schafft sie insgesamt eine Balance zwischen individualisiertem Unterricht, kooperativen Lernfor-men und direkter Instruktion,
- unterstützt sie die Wirksamkeit von Lernstrategien durch das eigene Verhalten,
- erkennt sie situative Lernchancen und nutzt diese.
Die Lehrkraft gestaltet den beziehungshaften Aspekt des Unterrichtens professionell, und zwar durch
- einen freundlichen, aber auch bestimmten Umgang mit den Schülerinnen und Schülern,
- spürbare Aufmerksamkeit für das Verhalten und die Reaktionen der Schülerinnen und Schüler,
- differenzierte Wahrnehmung von Verhalten und Leistungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler,
- Ermutigen der Schülerinnen und Schüler und Vermeidung von Beschämung,
- „Fehlerfreundlichkeit“ im Lernprozess.
Die Lehrkraft macht das Lernen „sichtbar“. Sie
- gibt individuelle Rückmeldung im Hinblick auf Lernfortschritt und Leistung,
- erkennt Förderbedarf und notwendige Hilfen (diagnostische Kompetenz),
- setzt die unterschiedlichen Formen pädagogischer Diagnostik fach- und situationsgerecht ein,
- holt Rückmeldung von den Schülerinnen und Schülern ein und zieht daraus Schlüsse.
2.3 LEISTUNGEN FESTSTELLEN
Die Lehrkraft erfasst und beurteilt die Leistungen von Schülerinnen und Schülern unter Anwendung der geltenden rechtlichen Vorgaben und auf der Grundlage transparenter Beurteilungsmaßstäbe und Leistungserwartungen. In diesem Zusammenhang bedenkt sie, dass die Leistungsbeurteilung andere Aufgaben hat und andere Ziele verfolgt als die pädagogische Diagnostik.
Die Lehrkraft
- setzt in den jeweiligen Fächern und Lernfeldern die jeweils angemessenen Formen der Erfassung und Beurteilung von Schülerleistungen den Anforderungen entsprechend ein,
- nutzt dabei moderne Medien, sofern dies im konkreten Fall sinnvoll ist,
- berücksichtigt bei der Beurteilung dem jeweiligen Kontext entsprechend produkt-, prozess- und präsentationsbezogene Aspekte der Leistung,
- beurteilt Leistung anhand fachdidaktisch reflektierter Gütekriterien,
- wendet Bewertungsmodelle und Bewertungsmaßstäbe fach- und situationsgerecht an,
- begründet die Leistungsbeurteilungen adressatengerecht und bezieht sich dabei auf Anforderungen und Maßstäbe, die im Unterricht besprochen und geklärt wurden.
2.4 ERZIEHEN
Neben den allgemeinen werte- und normenbezogenen Erziehungszielen gibt es auch Aspekte des Erziehens, die eine enge Beziehung zum jeweiligen Unterrichtsfach haben. Die Lehrkräfte reflektieren die Möglichkeiten und die Grenzen der erzieherischen Einflussnahme auf junge Erwachsene, und sie handeln entsprechend.
Die Lehrkraft wirkt in den folgenden Zusammenhängen erzieherisch:
- als Verhaltensmodell, z. B. indem sie eine freundlich-positive Haltung gegenüber den Gegenstän-den, Fragestellungen und Methoden des eigenen Faches verkörpert, • als Muster für einen fairen, respektvollen, aber auch leistungsorientierten Umgang mit Aufgaben und Menschen,
- indem in geeigneten Lehr-/Lernarrangements auch fach- und berufsethische Fragen berücksichtigt werden,
- indem sie mit geeigneten Lehr-/Lernarrangements dazu beiträgt, dass die Schülerinnen und Schüler auch ethische Aspekte bei ihrer Urteilsbildung berücksichtigen, auch im Zusammenhang mit di-gitalen Medien,
- indem sie den Unterricht sprachsensibel gestaltet (sprachlich bedingte Verständnis- und Artikula-tionsschwierigkeiten von fachlich bedingten unterscheidet, Hilfe zur Überwindung sprachlicher Hürden anbietet) und interkulturelle Aspekte der Unterrichtskommunikation berücksichtigt, indem sie Lernsituationen so plant und gestaltet, dass die Schülerinnen und Schüler im Umgang mit fach-lichen Inhalten und Anforderungen auch überfachliche Kompetenzen aufbauen, wie z. B. Team-fähigkeit, Genauigkeit, Durchhaltevermögen.
Fachspezifische fachdidaktische Standards
Die fachspezifischen Ziele und Inhalte der Ausbildung in der Fachdidaktik sind in den nachstehenden Inhaltspapieren festgelegt.
Fachdidaktik Evangelische Religionslehre